Dem Unwetter zum Trotz
Die Fluggesellschaft Lufthansa wurde von den Terroranschlägen am 11. September 2001 schwer getroffen. Der Chief Risk Officer des Unternehmens spricht mit Gareth Gore über die großen Veränderungen beim Liquiditätsrisikomanagement, die das Ereignis nach sich zog
Welche langen Schatten die Anschläge auf die Luftfahrtbranche geworfen haben, belegt unter anderem der Umstand, dass die Lufthansa noch am zweiten Jahrestag des 11. September wegen des niedrigen Passagieraufkommens vier von acht Flügen streichen musste, die täglich zwischen Deutschland und den USA verkehren.
In der 98-jährigen Geschichte der Branche waren die letzten sechs zweifellos die schwierigsten. Bis März 2003 büßten die globalen Aktien der Luftverkehrsunternehmen 58% ihres Werts ein. Das war der Tribut, den 9/11, SARS in Asien, die Invasion im Irak, steigende Ölpreise und verschiedenste Ängste bezüglich der Flugsicherheit forderten.
Schon wenige Monate nach den Anschlägen verschwanden nationale Fluggesellschaften wie die belgische Sabena und schweizerische Swissair - beide waren seit den 20er- und 30er-Jahren im Geschäft - nach schweren Finanzkrisen von der Bildfläche. Und in den USA befanden sich Ende 2005 mehr als die Hälfte aller Flugsitzplätze im Besitz offiziell bankrotter Unternehmen.
Die Lufthansa kam relativ ungeschoren davon. Während der Geschäftsschwerpunkt der Konkurrenten Air France und British Airways klar auf Transatlantikflügen lag, erzielte die Lufthansa nur 15% ihrer Umsätze auf den angeschlagenen Nordamerikarouten. Großenteils kämpft die Branche zwar noch immer mit schweren Verlusten, aber Lufthansa schreibt nach nur zwei verlustreichen Jahren schon seit 2004 wieder schwarze Zahlen und Nettogewinne von EUR404 Millionen.
Genau zu der Zeit beschloss die Fluggesellschaft, ihre Risikomanagementverfahren umfassend neu auszurichten. Über Absicherungen gegen volatile Ölpreise verfügt das Unternehmen zwar schon seit 1990, aber nach 9/11 traten eine Reihe fundamentaler Schwächen zutage - einschließlich der Solvenz und rapide fallender Aktienkurse. Zum Zeitpunkt der Invasion im Irak im März 2003 hatten die Aktien der Fluggesellschaft mit EUR6,74 den tiefsten Stand seit 10 Jahren erreicht - damit war der Marktwert des Unternehmens in nur zwei Jahren um 74,6% gefallen.
"Das Luftfahrtgeschäft war schon immer höchst volatil", sagt Walter Schmidt-Cording, Leiter für Liquiditäts- und Risikomanagement der Lufthansa in Frankfurt. "Aber außergewöhnliche Ereignisse, wie 9/11 und SARS haben uns bewusst werden lassen, wie anfällig unser Geschäftssystem ist. So haben wir schnell entschieden, dass wir einen Liquiditätspuffer für die strategische Stabilität des Geschäftes benötigen."
Aktienperformance
Vergleicht man die Volatilität der Luftfahrtbranche in den letzten sechs Jahren mit der von Aktien im Allgemeinen, zeigt sich, dass die Luftfahrt eine Serie von Krisen relativ schlecht bewältigt (siehe Abbildung 1). Laut Bloomberg World Airline Index sind die Aktien der Luftverkehrsunternehmen in den ersten Tagen nach den Anschlägen vom 11. September um 31% gefallen, während der FTSE World Index einen Rückgang von lediglich 12% verzeichnete.
Der Vorstand der Lufthansa fürchtete seinerzeit, diese Schwäche könnte zu ernsten Schwierigkeiten führen, sollte das Unternehmen in einer für die Branche schwierigen Phase einen großen strategischen Kauf tätigen oder seine Flotte erweitern wollen. So genehmigte er nach den Terroranschlägen die Schaffung einer - durch sukzessive Anleiheemissionen zu finanzierenden - Liquiditätsreserve von EUR2 Milliarden, die die Unternehmensbilanz in solchen Fällen auffangen soll.
"Über den Risikopuffer hinaus ist es eine Unterstützung der Kreditbewertung der Ratingagenturen und in Hinblick auf unsere Fähigkeit gedacht, Finanzmittel zu günstigen Sätzen zu beschaffen", sagt Schmidt-Cording. Bis heute ist die Lufthansa die einzige europäische Fluggesellschaft mit einem Investment-Grade-Rating; sie hat sich das BBB Rating von Standard & Poor's in der ganzen schwierigen Periode erhalten können. "Kredite sind mit einem Investment-Grade-Rating viel einfacher zu beschaffen", sagt Schmidt-Cording.
In den Jahren 2004 und 2005 wurden die Barmittel in drei getrennte Liquiditätsbereiche untergliedert, um zu berücksichtigen, wie schnell das Unternehmen Cash braucht: Overnight bis sechs Monate; zwei bis fünf Jahre; und mehr als fünf Jahre. Ursprünglich wurden die Mittel in eher liquide und weniger volatile Vermögenswerte wie Anleihen und andere festverzinsliche Wertpapiere investiert, um sicherzustellen, dass das Unternehmen über verschiedene Zeiträume problemlos auf Barmittel zugreifen kann. Aber 2005 beschloss die Lufthansa, ihr Portfolio zu überholen, um eine bessere Verwaltung der Markt- und Korrelationsrisiken sowie die weitere Optimierung der Erträge zu gewährleisten.
Bezüglich der Art der Investments und des Umfangs der Risiken, die das Unternehmen übernehmen darf, gibt der Vorstand strenge Richtlinien vor. "Unsere Investments unterliegen sehr konservativen Richtlinien - zum Beispiel keine Fremdwährungen", sagt Schmidt-Cording.
Zugleich hat das Unternehmen durch sorgfältige Analysen geprüft, welche Performance das eigene Portfolio unter verschiedenen Marktbedingungen erbringt. Die Portfolio-Analyse ermittelte eine optimale Asset-Allokation, die Fixed-Income, Hedgefonds, Kreditprodukte, forderungsbesicherte Wertpapiere und Aktien umfasst. Daraufhin trat das Unternehmen an verschiedene Investmentbanken in Deutschland heran, um seine Anforderungen zu besprechen.
"Man weiß, dass Lufthansa sehr spezielle Anforderungen stellt", sagt Andreas Kosse, Direktor in der Abteilung für alternative Investments bei HSBC Trinkaus und Burkhardt in Düsseldorf. Die Privatbank, an der HSBC einen Anteil von 78,6% hält, erhielt den Auftrag, für Lufthansa eine 15-jährige kapitalgarantierte Equity Note im Umfang von EUR130 Millionen zu komponieren.
Das Schuldscheindarlehen
Bei diesem Produkt handelte es sich um eine von mehreren CPPI-Notes (Constant Proportion Portfolio Insurance), in die die Fluggesellschaft zu diesem Zeitpunkt Zeit investierte. Diese Strukturen wurden so gestaltet, dass sie dem Investor bei Fälligkeit 100% des Kapitals garantieren, indem sie die Vermögenswerte dynamisch zwischen nicht-riskanten (meist Fixed-Income) und riskanten (etwa Aktienwerte) Assets zuteilen. Aber CPPI hatte für die Fluggesellschaft einen Zusatznutzen: kapitalgeschützte Notes könnten auch in ein Schuldscheindarlehen-Format "gewrappt" werden. Ein Schuldscheindarlehen ist ein zur Hälfte wertpapiermäßig unterlegtes Bankdarlehen.
"Das Schuldscheindarlehen können wir in der Bilanz direkt als eine einzige Transaktion ausweisen", sagt Schmidt-Cording. Das Investment gilt in der Rechnungslegung als Darlehen an die Bank, die einen garantierten Kupon zurückzahlt. "Daher muss in der Bilanz nicht jedes separate Investment in seine verschiedenen Komponenten zerlegt werden, was die Sache für uns deutlich erleichtert. Wir verwenden immer eine gleiche Struktur", fügt er hinzu.
Wegen der strengen Anforderungen der Lufthansa an die erforderliche Struktur, den Basiswert und die Kupon-Zahlungen musste die Bank für diese Transaktion ein maßgeschneidertes Produkt schaffen. Außerdem hatte Lufthansa bereits entschieden, dass die Helaba in Frankfurt das der Note zugrunde liegende Aktienportfolio (bestehend aus Eurostoxx 50 Aktien) als Investmentmanager verwalten sollte.
Um eine CPPI-Struktur für diesen dynamischen Basiswert zu schaffen (das Portfolio wird von der Helaba laufend neu gewichtet), emittierte HSBC Trinkaus ein Schuldscheindarlehen, das auf eine mit der HSBC in London durchgeführte Total Return Swap Transaktion referenziert. Der Swap ist an einen von der Investmentbank geschaffenen CPPI-Index gebunden, der ein Portfolio festverzinslicher Wertpapiere (für das weniger riskante Element der Kapitalgarantie) und ein Direktinvestment der HSBC in den Helaba-Fonds beinhaltet. Lufthansa kann jederzeit einen Kupon anfragen, denn der wird durch eine Call-Option abgedeckt, die in den Swap zwischen Privat- und Investmentbank integriert ist. Gegenwärtig sind 75% der Vermögenswerte des Fonds in Aktien und 25% in festverzinsliche Wertpapiere investiert.
Wenn man Marktwertanpassungen berücksichtigt, hat der Fonds bisher einen Ertrag von 25% gebracht. "In diesem Zeitraum gab es an den Aktienmärkten einige Tage mit hoher Volatilität", sagt Kosse. "Aber selbst da hat die Zuteilung zum riskanten Vermögenswert sich als sehr stabil erwiesen." Die Fluggesellschaft wollte 100% in den riskanten Vermögenswert investieren, aber unter den derzeitigen Marktbedingungen konnte die Bank bei gleichzeitiger Garantie des Kapitals lediglich 75% bieten.
Die Vorteile der Liquiditätsreserve werden sich vielleicht erst in der nächsten großen Branchenkrise zeigen, aber laut Schmidt-Cording erntet die Fluggesellschaft bereits die Früchte ihres umfangreichen Fuel-Hedging-Programms. Mit dem 1990 implementierten Programm ist Lufthansa die einzige Fluggesellschaft, die in den letzten 15 Jahren kontinuierlich den Ölpreis abgesichert hat. Die Strategie der Absicherung von bis zu 90% des geplanten Kraftstoffbedarfs auf revolvierender Basis mit einem Vorlauf von 24 Monaten unter Verwendung von Brent Collars hat für die Bilanz der Fluggesellschaft in den letzten 16 Jahren einen Nettobeitrag von EUR1,5 Milliarden erbracht.
Nach dem 11. September beschloss Lufthansa auch, 85% seiner Verbindlichkeiten über Zinsswaps an variable Sätze zu binden. Aber Schmidt-Cording räumt ein, in dem durch hohe Sätze gekennzeichneten Umfeld erweise sich das als kostenintensiv. "Grundsätzlich wird die Studie alle zwei bis drei Jahre aktualisiert und wenn nötig angepasst," sagt er.
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